Auszug aus "Empört Euch!" von Stéphane Hessel
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Noch nie war der Abstand zwischen den Ärmsten und Reichsten so groß. Noch nie war der Tanz um das Goldene Kalb Geld, Konkurrenz so entfesselt. Das Grundmotiv der Résistance war die Empörung. Wir, die Veteranen der Widerstandsbewegungen und der Kampfgruppen des Freien Frankreich, rufen die Jungen auf, das geistige und moralische Erbe der Résistance, ihre Ideale mit neuem Leben zu erfüllen und weiterzugeben. Mischt euch ein, empört euch! Die Verantwortlichen in Politik und Wirtschaft, die Intellektuellen, die ganze Gesellschaft dürfen sich nicht kleinmachen und kleinkriegen lassen von der internationalen Diktatur der Finanzmärkte, die es so weit gebracht hat, Frieden und Demokratie zu gefährden. Ich wünsche allen, jedem Einzelnen von euch einen Grund zur Empörung. Das ist kostbar. Wenn man sich über etwas empört, wie mich der Naziwahn empört hat, wird man aktiv, stark und engagiert. Man verbindet sich mit dem Strom der Geschichte, und der große Strom der Geschichte nimmt seinen Lauf dank dem Engagement der Vielen zu mehr Gerechtigkeit und Freiheit, wenn auch nicht zur schrankenlosen Freiheit des Fuchses im Hühnerstall. Die in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte (zutreffender: Universelle Erklärung der Menschenrechte ) von 1948 niedergelegten Rechte sind universell. Wann immer sie jemandem vorenthalten werden, und ihr merkt es: Nehmt Anteil, helft ihm, in den Schutz dieser Rechte zu gelangen.
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Zwei große neue Menschheitsaufgaben sind für jedermann erkennbar: 1. Die weit geöffnete und noch immer weiter sich öffnende Schere zwischen ganz arm und ganz reich. Das ist eine Spezialität des 20. und 21. Jahrhunderts. Die Ärmsten der Welt verdienen heute kaum zwei Dollar am Tag. Wir dürfen nicht zulassen, dass diese Kluft sich weiter vertieft. Allein schon dies heißt, sich zu engagieren. 2. Die Menschenrechte und der Zustand unseres Planeten.
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Das im Westen herrschende materialistische Maximierungsdenken hat die Welt in eine Krise gestürzt, aus der wir uns befreien müssen. Wir müssen radikal mit dem Rausch des Immer noch mehr brechen, in dem die Finanzwelt, aber auch Wissenschaft und Technik die Flucht nach vorn angetreten haben. Es ist höchste Zeit, dass Ethik, Gerechtigkeit, nachhaltiges Gleichgewicht unsere Anliegen werden. Denn uns drohen schwerste Gefahren, die dem Abenteuer Mensch auf einem für uns unbewohnbar werdenden Planeten ein Ende setzen könnten.
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