Premiere: 22.05.2025
Arthur Schnitzler
Das weite Land
ca. 3 Stunden (Pause nach ca. 100 Minuten)
Es ist überhaupt dumm eingerichtet auf der Welt. Mit vierzig Jahren sollt’ man jung werden, da hätte man erst was davon.
Ein Mann geht fremd. Seine Frau weiß es. Man spricht nicht darüber. Sie hat sich entschieden, ihn "nur" durch zunehmende Distanzierung zu strafen. Da stirbt ein enger Freund der Familie: Gerüchte gehen um. Hat er sich aus Liebe zu ebenjener betrogenen Frau das Leben genommen? Weil sie ihn zurückwies? Der Ehemann hält die Tugendhaftigkeit seiner Frau, die er als Herzlosigkeit begreift, nicht mehr aus. Er reist ab, in die Berge, zu einer anderen. Enttäuscht und entfremdet beginnt nun auch seine Frau ein Verhältnis. Wie kann er mit ihrer Untreue umgehen?
Arthur Schnitzler lässt in seinem Klassiker Lebensmodelle und Lebenslügen aufeinanderprallen. Was bedeutet Liebe? Was Ehe? Welche Rolle spielen Treue und Eifersucht? Was sind wir unseren Mitmenschen schuldig?
Bernhard Schir, das Kraftzentrum der Produktion, gibt den Vulkan. Äußerlich verschlackt, stößt er unversehens die ungeheuerlichsten Gemeinheiten aus. Wirft mit Glutbrocken nach Genia oder gibt beim Konversieren mit Freund Mauer (als ruhiger Sublimierer: Marcus Bluhm) den versierten Dampfplauderer. Schir ist der Gladiator des Fin de Siècle. Einer, der die anderen provoziert, um selbst, fürs eigene Überleben, die allerletzten Kraftreserven zu mobilisieren. Eine famose Leistung bis zum Schluss. Eine ungemein selbstbewusste junge Frau (Johanna Mahaffy) hat erfolgreich um Hofreiters Gunst gebuhlt: eine wunderbare Studie in neuer Sachlichkeit. Eine herrliche Schauspielerin wie Ulli Maier verkörpert mit ein paar wenigen Gesten und Augenaufschlägen das Drama der nicht mehr blutjungen Frau (als Frau Wahl). Ein Nämliches gelingt Sandra Cervik in der Rolle der Schauspielerin Meinhold-Aigner: Wie weggepustet ist alles Matronenhafte. Und so freut man sich über Details dieser Höllenfahrt auf Raten: gewiss am meisten über Bernhard Schirs trotzige Entgeisterung.
(Der Standard)
Schon nach ein paar Minuten, wenn sich auf einer fast schwarzen, nur mit ein paar runden Lampen erhellten Bühne (Karin Fritz) die Protagonisten einfinden, stellt sich ein seltsames Gefühl des Nach-Hause-Kommens ein. Kica lässt keine Figuren auftreten, sondern Menschen. Da beginnt Schnitzlers Sprache ganz natürlich zu fließen. Die Pointen federn, Sarkasmus schwingt mit. Im Zentrum steht Bernhard Schir als Friedrich Hofreiter. Elektrisierend zeigt er einen Mann, der Opfer seiner Obsessionen ist. Diese gilt Frauen. Phänomenal setzt er sein kunstvoll wienerisch gefärbtes Idiom ein. Feinnervig, nervös hadert er mit dem Älterwerden. Maria Köstlinger ist eine kühle Genia, die sich mit Kopfhörern in eine andere Welt flüchtet. Herbert Föttinger und Sandra Cervik (eine elegante Frau Meinhold) sind das getrennte Paar. Den titelgebenden Satz, „Die Seele ist ein weites Land“, trichtert er dem Hofreiter nicht ohne einen Hauch von Ironie ein. Johanna Mahaffy ist eine geerdete Erna, Ulli Maier eine charmante Frau Wahl. Eine Luxusbesetzung ist Martin Zauner als Hotelportier. Günter Franzmeier lässt als Natter die Hinterlist seiner Figur spüren und Marcus Bluhm die Betulichkeit des Doktor Mauer. Matthias Franz Stein, Tobias Rheintaller, Martina Stilp, Marcello De Nardo und alle anderen werden für diesen Wiener Schnitzler zurecht gefeiert.
(KURIER)
Arthur Schnitzlers in Szenen gepackte Lebensklugheit und seine treffsicheren Affektstudien sind hier ausgeleuchtet bis in den letzten Winkel der menschlichen Seelenlandschaft. Regisseur Kica bringt diesen emotionalen Sezierkurses zum Strahlen, nichts verstellt die Sicht auf das Stück. Dass sich Schnitzlers Sprach-Wucht entfalten kann, liegt vor allem an zwei Darstellern. Wie ein Zweigestirn umkreisen sie sich den ganzen Abend, ohne einander je zu erreichen: Bernhard Schir als eindringlicher Fabrikant Friedrich Hofreiter, der unter Eindruck, zu früh in seinem Leben jung gewesen zu sein, durch das Stück taumelt. Er ist getrieben von einem Wechselbad an Emotionen: zum Abenteuer, zur blutjungen Erna (burschikos jugendlich: Johanna Mahaffy) und zu seiner unterkühlten Ehefrau. Dass sich als stärkste dieser Regungen die eiskalte Eitelkeit durchsetzt, mündet ins finale Drama. Maria Köstlinger ist als seine Ehefrau Genia bemüht, jedes aufkeimende Gefühl eindrucksvoll wie erfolglos hinter einer noblen Maske zu verschanzen. Es sind diese niedergerungenen Seelentiefen, die rund um diese beiden tödliche Konsequenzen haben. Dieses „Weite Land“ ist eine entschleunigte Insel der Zeitlosigkeit. Sie bildet einen scharfen Kontrast zu einer schnelllebigen Gegenwart, in der die kurzatmige Seele eher durch grelle Bilder taumelt, als die eigene Weite zu erkunden. Auch das darf, ja muss Theater sein: ein in Momenten äußerst wahrhaftiger, aus der Zeit gefallener Sehnsuchtsort.
(Kronen Zeitung)
Nichts lenkt vom Wesentlichen ab, von den Dialogen, von der brüchigen Fassade formvollendeter Plauderei, hinter der es knirscht und knistert. Nur mit Mühe kaschiert diese feine Gesellschaft Leidenschaft und Lebensekel. Der Tonfall hier ist wienerisch, wie es der Autor imaginierte, es wird geraunzt statt gemotzt, und auch an Zwischentönen mangelt es nicht.
(Die Presse)
„Das weite Land“ ist und bleibt ein toller Dramentext, den das Ensemble souverän darbietet, Dass anders als in vielen Strichfassungen auch kleinste Nebenfiguren zu Wort kommen bereitet nostalgische Freude.
(Falter)
Regie
Janusz Kica
Bühnenbild und Kostüme
Karin Fritz
Dramaturgie
Barbara Nowotny
Licht
Manfred Grohs
Friedrich Hofreiter, Fabrikant
Bernhard Schir
Genia, seine Frau
Maria Köstlinger
Anna Meinhold-Aigner, Schauspielerin
Sandra Cervik
Otto, ihr Sohn, Marine-Fähnrich
Tobias Reinthaller
Doktor von Aigner, der geschiedene Gatte der Frau Meinhold
Herbert Föttinger
Frau Wahl
Ulli Maier
Gustav, ihr Sohn
Elias Baumann
Erna, ihre Tochter
Johanna Mahaffy
Natter, Bankier
Günter Franzmeier
Adele, seine Frau
Martina Stilp
Doktor Franz Mauer, Arzt
Marcus Bluhm
Demeter Stanzides, Oberleutnant
Matthias Franz Stein
Paul Kreindl
Alex Kapl
Albertus Rohn, Schriftsteller
Johannes Seilern
Marie, seine Frau
Kimberly Rydell
Serknitz
Alexander Strömer
Doktor Meyer
Marcello De Nardo
Rosenstock, Portier im Haus am Völser Weiher
Martin Zauner