Premiere: 28.04.2022
Tom Stoppard
Leopoldstadt
Deutschsprachige Erstaufführung
ca. 3 Stunden (Pause nach ca. 90 Minuten)
Deutsch von Daniel Kehlmann
Der arme Junge. Getauft und beschnitten in ein und derselben Woche, was kann man da erwarten?
Großmutter Emilia
"Seinen Namen im Familienalbum zu verlieren ist wie ein zweiter Tod", heißt es zu Beginn von Leopoldstadt, und es scheint die Aufgabe des monumentalen neuen Stücks von Tom Stoppard zu sein, gegen diesen zweiten Tod anzuschreiben:
Benannt nach Wiens zweitem Bezirk, ehedem jüdisches Viertel und nunmehr Heimat zahlloser in den Boden eingelassener Gedenksteine, erzählt Leopoldstadt die Geschichte der großbürgerlichen Familie Merz über vier Generationen. Stoppard verfolgt die Familiengeschicke von 1899 bis 1955 und stellt dabei historisch bedingt die Welt der Familie Merz nicht nur einmal auf den Kopf. Das wechselvolle Schicksal der Textilfabrikantendynastie scheint dabei direkt mit der unheilvollen Geschichte Österreichs verwoben zu sein.
In seinem bislang persönlichsten Stück stellt sich der große englische Dramatiker Sir Tom Stoppard in einer späten Auseinandersetzung auch seinen jüdischen Wurzeln.
Leopoldstadtplay
Kritik New York Times
Kica hält sich an die präzisen Regieanweisungen und führt mit sicherer Hand sein Ensemble. Gespielt wird von allen glänzend: Föttinger lässt mit minimalen Gesten die Kraft seiner Figur, spüren. Das geschieht so unsentimental, so klar, dass es schmerzt. Maria Köstlinger ist ihm eine faszinierende Partnerin, überwältigend, wie sie das Leiden der an Krebs erkrankten gealterten Ehefrau darstellt. Michael Dangl ist als englischer Journalist eine Lichtgestalt, Alma Hasun besticht als Sozialdemokratin, wenn sie rührig eine rote Fahne fertigt. Joseph Lorenz zeigt mit Akkuratesse den Nazi. Raphael van Bargen macht als Überlebender die Nachwirkungen des Nazi-Terrors deutlich. Tobias Reinthaller bewegt als Stoppards autobiographische Figur Leo, um nur einige zu nennen. Sie alle tragen diesen Text, bringen ihn im leichten Konversationston zum Schweben oder lassen die Schwere, die Düsternis, die Beklemmung spüren. Janusz Kica versteht es, Stille zu inszenieren. Stücke, die unterhalten, gesellschaftlich relevant sind und unaufdringlich politisch, sind essentiell für das Theater heute. "Leopolstadt" von Tom Stoppard ist all das.
(NEWS)
Eine beeindruckende Ensembleleistung.
(KURIER)
Eine wichtige, bewegende Inszenierung von Janusz Kica, in der eleganten deutschen Übersetzung von Daniel Kehlmann, mit einem Großaufgebot des Josefstädter Ensembles. Dieses weiß zu rühren, bis zum Schluss.
(Die Presse)
Auf einer Couch, inmitten einer aufgeregten Kinderschar, thront die greise Clan-Mutter Emilia (Marianne Nentwich). Ihr gehören die ersten, von Daniel Kehlmann in ein perfektes Schnitzler-Deutsch übersetzten Pointen. Der unvergleichlich kakanische Tonfall der vom Leben geplagten Hofmannsthal-Schwierigen schwingt hörbar nach. Als kostbarer Sound vermengt er sich sinnfällig mit Tonspur-Überresten aus einer anderen, deutlich problematischeren Moderne.
Selten hat man Direktor Föttinger in seiner Eigenschaft als Charaktermime überzeugender gesehen, gefasster, zählederner, von hinhaltendem Widerstandswillen erfüllt.
Man möchte zahlreiche Schauspielerinnen loben: Fritz (Roman Schmelzer), der "junge Offizier", liefert eine plausible Studie freundlich verbrämten Hasses. Martina Ebm als lebenshungrige Tanzbiene des "Jazz-Age"; Joseph Lorenz als wahrhaft dämonischen, zum sittlichen Skelett abgemagerten Nazi-Schergen.
Es ist das Wiener Josefstadt-Theater, das in den vergangenen 20, 30 Jahren die größte Verwandlung unter allen Wiener Bühnen vollzogen hat: weg vom reinen Amüsierbetrieb, hin zum Serviceangebot einer Moralprüfstelle. Man will eine solche Kultur des Eingedenkens nicht mehr missen.
(Der Standard)
Der Regisseur Janusz Kica vertraut einem klaren, diskreten und doch hoch emotionalen Konversationston. Gute Schauspieler tragen den Abend durch drei leichte und todesschwere Stunden.
(Kronen Zeitung)
Was ein Aufwand! Sir Tom Stoppards großes Geschichtsdrama strotzt vor Rollen und historischen Verwicklungen. Wahrhaft vorpandemisches Theater über das Schicksal einer jüdischen Großfamilie, für die deutschsprachige Erstaufführung übersetzt von Daniel Kehlmann. Janusz Kica macht daraus eine Inszenierung passgenau für die Josefstadt.
Das funktioniert schon alles sehr gut. Gekonnt geschriebene und übersetzte Dialoge bündeln die Publikumsaufmerksamkeit. Kehlmanns Deutsch flutscht und fühlt sich wohl im Munde dieser psychologischen Salonspieler:innen. Das hätte nicht einmal Dr. Freud (der im Stück natürlich auch erwähnt wird) so anschaulich machen können.
(nachtkritik.de)
Regie
Janusz Kica
Bühnenbild und Kostüme
Karin Fritz
Musik
Matthias Jakisic
Dramaturgie
Matthias Asboth
Licht
Manfred Grohs
Großmutter Emilia
Marianne Nentwich
Hermann, ihr Sohn
Herbert Föttinger
Eva, ihre Tochter
Martina Stilp
Gretl, verheiratet mit Hermann
Maria Köstlinger
Ludwig, verheiratet mit Eva
Ulrich Reinthaller
Wilma Kloster, Schwester von Ludwig
Susa Meyer
Ernst, verheiratet mit Wilma
Günter Franzmeier
Hanna, Schwester von Ludwig und Wilma
Alexandra Krismer
Jacob, Sohn von Hermann und Gretl
Oliver Rosskopf
Nellie, Tochter von Ludwig und Eva
Michaela Klamminger
Stella, Tochter von Ernst und Wilma
Silvia Meisterle
Rosa, Stellas Zwillingsschwester
Sona MacDonald
Poldi, Köchin/Haushälterin
Susanna Wiegand
Hilde, Zimmermädchen
Fiona Ristl
Jana, Kindermädchen
Paula Nocker
Fritz, ein junger Offizier
Roman Schmelzer
Hermine, Tochter von Hanna und Kurt
Martina Ebm
Aaron, verheiratet mit Nellie
Oliver Huether
Kurt, verheiratet mit Hanna
Paul Matić
Zacharias, verheiratet mit Stella
Patrick Seletzky
Otto, ein Bankier
Jakob Elsenwenger
Percy, ein englischer Journalist
Michael Dangl /
Paul Matić
Leo, Sohn von Nellie und Aaron
Tobias Reinthaller
Nathan, Sohn von Stella und Zacharias
Raphael von Bargen
Der Zivilist
Joseph Lorenz
Stella als Kind, sowie Mimi
Emma Trifu / Carla Unger
Rosa als Kind sowie Bella
Clara Bruckmann / Ariana Stöckle
Jakob als Kind sowie Leo als Kind
Theo Kapun / Paul Eilenberger
Pauli, sowie Nathan, als Kind
Cornelius Bruckmann / Philipp Gruber-Hirschbrich
Heini
David Stöckle / Samuel Fischer
Mohel
Markus Lipp